Fahrsimulatoren in der Fahrzeugentwicklung – So realistisch sind virtuelle Testfahrten

Simulator-Umgebung als Schlüssel für moderne Fahrzeugentwicklung
Im MdynamiX Innovation Portal blicken wir dieses Mal hinter die Kulissen des Simulator-Entwicklungszentrums des Instituts für Fahrassistenz und vernetzte Mobilität (IFM) in Benningen. Gemeinsam mit Stefanie Trunzer, Senior Project Engineer, erfahren wir, warum Fahrsimulatoren heute nicht mehr nur ein Zusatztool, sondern fester Bestandteil in der Fahrzeugentwicklung sind. Sie zeigen Ingenieurinnen und Ingenieuren Möglichkeiten, die sowohl Zeit und Kosten sparen als auch neue und frühe Erkenntnisse in komplexen Themen liefern – und gleichzeitig die Qualität der Entwicklung deutlich verbessern.
Diesmal nehmen wir die Fahrdynamik und das Komfortverhalten des Simulators in den Fokus. Dabei werden der virtuelle Fahrversuch mit dem realen Fahrversuch verglichen und mit unserer Software live ausgewertet.
Dynamischer Fahrsimulator von Ansible Motion – Hightech für Ingenieure
Das IFM setzt auf einen dynamischen Fahrsimulator von Ansible Motion, der vollständig elektrisch betrieben wird. Das macht ihn besonders agil, denn er kann Bewegungen mit bis zu 50 Hertz ausführen – genau in dem Frequenzbereich, den Ingenieure für ihre Arbeit benötigen. Eine Schiene mit mehr als fünf Metern Länge ermöglicht es, die Querdynamik eines Fahrzeugs umfassend darzustellen, was die hohe Qualität der Kurven und Kurvenstabilität ausmacht. Das Cockpit des Simulators ist ein umgebauter VW Golf, der speziell für diese Umgebung vorbereitet wurde. Leichtbaukomponenten wie Kunststofftüren und -fenster sorgen dafür, dass das Gesamtgewicht unter den erlaubten 500 Kilogramm bleibt, aber der Fahrer sich zugleich, wie in einem echten Fahrzeug fühlt. Ein echtes Highlight ist die Integration des Aktuators MXsteerAct, der eine reale Fahrzeuglenkung in den Simulator bringt und damit ein realistisches Lenk- und Fahrdynamikgefühl ermöglicht, das einem echten Auto erstaunlich nahekommt.
Warum eine reale Lenkung im Fahrsimulator unverzichtbar ist
Die Lenkung ist ein entscheidender Faktor in der Fahrdynamik-Entwicklung. Zwar lassen sich Lenkmodelle virtuell nachbilden, doch in der Praxis stoßen sie schnell an ihre Grenzen. Regelungstechnische Probleme wie Überschwinger oder instabile Lenkräder, sowie fehlende Reibeffekte führen oft dazu, dass sich die Modelle leblos (toter Fisch) anfühlen und Ingenieure das wichtige Feedback vermissen. Mit einer realen Lenkung hingegen können Reibungseffekte, Feinfühligkeit und die subjektive Rückmeldung eines Fahrers viel besser dargestellt werden. Für die Entwicklungsarbeit bedeutet das: Ingenieure erhalten eine präzise Grundlage für ihre Bewertungen, die deutlich näher an der Realität liegt.
Slalomfahrt im Fahrsimulator – Fahrdynamik erleben
Um die Möglichkeiten in der Praxis zu demonstrieren, stand eine Slalomfahrt mit 50 km/h im Simulator auf dem Programm. Dank der Integration von CarMaker, der realen Lenkung (MXsteerAct) und der Bewegungsplattform des Fahrsimulators erlebte der Fahrer die Querkräfte und Fahrzeugreaktionen fast so, als säße er in einem echten Auto. Das Ergebnis war ein realistisches Fahrerlebnis, das zeigt, wie nah moderne Simulatoren an die Realität heranreichen. Wie können wir dieses reale Fahrgefühl in objektive Zahlen, die eine Vergleichbarkeit herstellen, übersetzen?
Objektive Fahrdatenanalyse mit MXeval im Simulator
Nach der Testfahrt folgt die Auswertung der Fahrdaten mit der Auswerte- und Targeting Software MXeval. Sie verarbeitet die Messungen automatisch, stellt alle relevanten Kennwerte dar und ermöglicht so eine objektive Analyse der Fahreigenschaften. MXeval kann sowohl im Simulator als auch im Realfahrzeug eingesetzt werden, wodurch ein direkter Vergleich zwischen virtueller und realer Fahrt möglich wird. In diesem Fall zeigte die Auswertung saubere Fahrkurven und stimmige Lenkmomente – ein klarer Hinweis darauf, dass die virtuelle Fahrt nicht nur subjektiv überzeugte, sondern auch objektiv belastbare Ergebnisse lieferte.
Vergleich: Fahrsimulator gegen echte Teststrecke
Um die Ergebnisse zu validieren, wurde derselbe Slalom anschließend auf der Fakt Motion Teststrecke gefahren. Auch hier kamen die Daten erneut in MXeval zur Analyse. Das spannende Ergebnis: Simulator und Realfahrt deckten sich nahezu vollständig. Für die Fahrzeugentwicklung bedeutet das, dass sich Modelle und Fahrwerke schon früh virtuell abstimmen und validieren lassen, bevor aufwendige Realtests notwendig sind. So werden Entwicklungsprozesse beschleunigt und gleichzeitig die Kosten gesenkt. Und noch mehr, man kann eine viel größere Zahl an Varianten und Szenarien testen und erlebbar machen.
Fahrkomfort bewerten: Von Schlaglöchern bis Asphaltqualität
Neben der Dynamik ist der Fahrkomfort ein wesentlicher Bestandteil der Fahrzeugentwicklung. Auf einer realen Teststrecke wurde untersucht, wie das Fahrzeug auf niederfrequente Stöße wie Schlaglöcher oder Kanaldeckel reagiert und wie hochfrequente Anteile des Fahrbahnbelags über Lenkung und Sitz wahrgenommen werden. Mit Hilfe der Bewertungs-App für subjektive Auswertungen (MXevalApp) konnten diese Eindrücke systematisch dokumentiert werden. So entsteht eine nachvollziehbare Bewertung, die Ingenieuren wertvolle Hinweise für die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung gibt.
Digital Twin: Komfortbewertung im Fahrsimulator
Die gleiche Teststrecke wurde mithilfe präziser Lidar-Daten als Digital Twin mit der mit der Visualisierungssoftware von rFpro im Simulator nachgebildet. Ein fTyre Reifenmodell sorgt dafür, dass selbst kleinste Unebenheiten realistisch spürbar sind. Bei der anschließenden Bewertung zeigte sich, dass niederfrequente Stöße im Simulator etwas schwächer wahrgenommen wurden, hochfrequente Anteile hingegen nahezu identisch mit der Realität abgebildet waren. Der Unterschied betrug lediglich eine halbe Note – ein beeindruckender Beweis dafür, wie realitätsnah Fahrsimulatoren heute arbeiten.
Warum Fahrsimulatoren die Zukunft der Fahrzeugentwicklung sind
Der dynamische Fahrsimulator zeigt eindrucksvoll, dass er weit mehr ist als nur ein virtuelles Testgerät. Er verbindet subjektive Fahrerlebnisse mit objektiver Datenanalyse, ermöglicht die Einbindung von Experten und Probanden bereits in einer sehr frühen Entwicklungsphase und schlägt eine Brücke zwischen virtueller Simulation und realer Testfahrt. Damit trägt er entscheidend dazu bei, die Entwicklung bis zum Start of Production (SOP) durchgängiger zu gestalten und komplexe Fragestellungen überhaupt zu bearbeiten. Zudem hilft er, Entwicklungszeiten zu verkürzen, Kosten zu senken und die Fahrzeugqualität zu verbessern. Fahrsimulatoren sind damit ein fester Bestandteil moderner Fahrzeugentwicklung.
Für wen ist dies interessant?
Dieser Inhalt ist besonders interessant für Fahrdynamiker, Lenkungsingenieure, Entwicklungsingenieure sowie für Entwickler von ADAS-Funktionen.
Kontaktieren Sie uns!
Wenn Sie mehr über unseren Fahrsimulator, den MXsteerAct, die MXeval-Software oder die MXevalApp erfahren möchten, sprechen Sie uns gerne direkt an. Unsere Expertinnen und Experten beraten Sie individuell, zeigen Ihnen Einsatzmöglichkeiten in Ihren Entwicklungsprozessen und geben Ihnen einen Einblick, wie Sie mit unseren Lösungen Zeit sparen und die Qualität Ihrer Fahrzeuge steigern können. Wir unterstützen und beraten Sie, wie Sie den Simulator & die Simulation als festen Bestandteil in Ihren Entwicklungsprozess etablieren.